Knapp zwei Millionen US-Dollar sammelte Canary 2013 per Crowdfunding für seine Vision eines All-In-On-Sicherheitssystems. Die Vision des amerikanischen Start-Ups kann deshalb nicht ganz so verkehrt sein. Die Idee: Eine Überwachungskamera ist nicht nur eine Überwachungskamera, sondern besitzt auch Sensoren für Bewegung und Luft, um sich der Sicherheit zu Hause ganzheitlich anzunehmen. Dabei soll sich die Lösung an alle richten und nicht durch komplizierte Bedienung oder Technik-Look abschrecken.
Überwachungskamera als Wohnaccessoire
Nun ist Canary auch in Deutschland erhältlich. Wir haben das Smart-Home-Sicherheitssystem getestet und man muss sagen: Schon wenn man das System auspackt, verschwinden jegliche Gedanken, dass Canary nur etwas für Nerds sein könnte. Die Kamera aus hochwertigen Kunststoff fällt eher in die Klasse von Netatmo Welcome. Beide würde auch als Wohnungsdeko durchgehen.
Zum Lieferumfang gehört neben der Kamera ist ein Steckdosen-Netzteil, das man über das mitgelieferte USB-Kabel anschließt. Bei unserem Testmuster wollte das Steckdosen-Netzteil nicht richtig in der Steckdose halten. Wir haben es deshalb durch ein Smartphone-Ladegerät ersetzt. Das ebenfalls mitgelieferte Miniklinken-Kabel kann man verwenden, wenn man bei der Installation für die Datenübertragung vom Smartphone auf Bluetooth verzichten will. Eine (bewegliche) Halterung gehört nicht zum Lieferumfang. Darum ist man bei der Positionierung und Ausrichtung der Kamera etwas eingeschränkt.
Installation in 15 Minuten
Die Ersteinrichtung der Kamera ist wirklich einfach. Wir waren bereits nach rund 15 Minuten damit fertig, die Kamera mit dem WLAN (b/g/n, 2,4 GHz) zu verbinden, sie zu konfigurieren und an unsere Wünsche anzupassen. Entscheidend war dabei, dass die App wirklich jeden Schritt genau erklärt und bebildert.
Um Canary komfortabel zu nutzen, ist es wichtig, dass das System auf den Standort zugreifen kann: nicht nur auf den Wohnort, sondern auch auf die Position, wo man sich gerade aufhält. Um den aktuellen Aufenthaltsort zu ermitteln, nutzt Canary GPS, WLAN und das Mobilfunk-Netz. Es geht auch ohne sogenanntes Geofencing, aber dann entgeht einem eine der besten Funktionen. Denn das System aktiviert und deaktiviert automatisch das Sicherheitssystem, je nachdem ob man sich zu Hause aufhält.
Alarmanlage schaltet sich automatisch scharf
Am besten funktioniert Canary, wenn alle Personen im Haushalt die Canary-App installiert haben und die Standort-Dienste auf ihrem Smartphone nutzen. Ansonsten kann es passieren: Man hat GPS bei sich aktiviert, ein anderer registrierter Bewohner jedoch nicht. Die Folge: Das Sicherheitssystem bleibt ausgeschaltet, da Canary annimmt, dass noch jemand zu Hause ist. Die Anwesenheitserkennung funktioniert auch ohne GPS. Sprich, wenn man nach Hause kommt, erkennt Canary, dass sich jemand im WLAN befindet, und deaktiviert das Sicherheitssystem.
Wer sich nicht orten lassen will, kann zwischen den Modi in der App auch manuell umschalten. Insgesamt gibt es drei verschiedene.
Einbrecher per Sirene verjagen
Im aktivierten Zustand startet Canary bei einer registrierten Bewegung die Videoaufnahme und man erhält auf dem Sperrbildschirm seines Smartphones eine Benachrichtigung. So kann man schnell checken, was passiert ist. Im Notfall lässt sich die in die Kamera integrierte Sirene per App aktivieren. Sie besitzt laut Hersteller einen Pegel von 90 dB. Spezialisierte Sirenen sind meist lauter, die Lautstärke von Canary sollte jedoch auch ausreichen, Einbrechern einen Schrecken einzujagen und sie vielleicht sogar zu verjagen.
Durch den hinterlegten Wohnort, holt sich Canary die örtlichen Notfallnummern von Polizei, Rettungsdienst und Feuerwehr. Sollte es also zu einem Notfall kommen, kann man über zwei Fingertipps auf dem Smartphone Hilfe holen.
Privater Modus mit ausgeschalter Kamera
Ist Canary deaktiviert, nimmt die Kamera bei Bewegung ebenfalls ein Video auf, die App benachrichtigt einen jedoch nicht. Schließlich gibt es noch den privaten Modus. Hier sind die Kamera und das Mikrofon komplett ausgeschaltet.
Praktisch ist: Man kann sich auch benachrichtigen lassen, wenn Canary offline geht – was ebenfalls ein Hinweis auf einen Einbruch sein kann.
Zeitpläne erstellen
Zeitpläne lassen sich über die Canary-App nicht anlegen, um zu bestimmen, wann das System in welchen Modus wechselt. Beispielsweise wenn man will, dass von Montag bis Freitag von 9 bis 18 Uhr das Alarmsystem während der Arbeitszeit aktiviert sein soll. Dafür kann man jedoch die App von Wink (iOS und Android) nutzen. In ihr kann man Canary hinzufügen und Zeitpläne erstellen.
Über die Integration in Wink lassen sich sogar einzelne Regeln in IFTTT nutzen. Damit zum Beispiel Canary bei Sonnenaufgang automatisch in den privaten Modus wechselt.
Videoaufnahmen in HD-Qualität
Die integrierte Kamera ist grundsätzlich dazu in der Lage, Videos in Full-HD (1080p) aufzunehmen. Bislang ist jedoch lediglich HD-Qualität (720p) mit 30 Vollbildern pro Sekunde möglich. Canary begründet das damit, dass so möglichst viele in der Lage sind, das Live-Bild der Kamera unterbrechungsfrei zu streamen. In der Zukunft soll der Nutzer aber entscheiden können, in welcher Qualität die Kamera aufzeichnen soll und dann auch Full-HD wählen können.
Die HD-Qualität mit 720p reicht jedoch vollkommen aus um zu sehen, was zu Hause passiert. Vor allem deckt die Kamera mit 147 Grad Weitwinkel-Objekt einen relativ großen Bereich ab. Durch die Infrarot-LEDs über und unter der Kamera sind auch bei Dunkelheit Details gut zu erkennen. Das integrierte Mikrofon liefert dazu einen relativ klaren Ton. Die Videoaufnahme selbst per Fingertipp zu starten oder ein Foto zu schießen, ist nicht möglich.
Videos verschlüsselt in der Cloud gespeichert
Die Videoaufnahmen werden verschlüsselt auf einem Cloud-Server von Canary gespeichert. Eine Option, die Videos auf einem lokalen Server oder einem angeschlossenen Speicher abzulegen, gibt es hingegen nicht. Man kann jedoch über die App einzelne Videos herunterladen.
Mit dem Kauf von Canary ist man in der Lage, den Video-Verlauf der letzten 12 Stunden zu sehen, drei Videos herunterzuladen und fünf Lesezeichen in Videos zu setzen. Wer mehr will, kann eines der kostenpflichtigen Abos wählen. Für knapp 50 Euro im Jahr erhält man beispielsweise Zugriff auf den Video-Verlauf der letzten zwei Tage sowie unbegrenzten Video-Download. Den Video-Verlauf der letzten 30 Tage zu nutzen, kostet rund 320 Euro im Jahr.
Erstklassige App
In den vollen Funktionsumfang der App für Android-Smartphones und iPhones kommt jeder. Sie ist klar strukturiert, äußerst schickt gestaltet und nicht überfrachtet. So findet findet man schnell alle Funktionen und Einstellungen. Die Empfindlichkeit der Bewegungserkennung ist so schnell geändert, falls sie zu fein oder unsensibel eingestellt ist. Wir haben nur selten Smart-Home-Apps erlebt, die so einfach zu bedienen sind.
Steckbrief | |
System | Canary |
Preis | ca. 220 Euro |
Monatl. Kosten Live-Stream / Aufnahme | 0 / 0 - 30 Euro |
Verbrauch Video an / Video aus | 3,1 / 2,5 Watt |
LAN / WLAN | ja / b,g,n (2,4 GHz) |
Ausstattung | |
Max. Videoauflösung | 720p30 |
Mikrofon | ja |
Lautsprecher | nur für Sirene |
Akku | nein |
IR-Licht | ja |
App: Android / iOS / Windows Phone | ja / ja / nein |
Gegensprechen | nein |
Aufzeichung lokal / Cloud | nein / ja |
Bewegungserkennung | ja |
Geräusch als Auslöser | nein |
Anwesenheitserkennung | ja |
Benachrichtigung: Push / SMS bzw. Anruf / E-Mail | ja / nein / nein |
Zeitpläne | über Wink |
In Smart-Home-System integrierbar | sehr eingeschränkt |
Was mit der App aber nicht geht: Mit einer Person vor der Kamera zu sprechen oder das Mikrofon als Auslöser für einen Alarm festzulegen.
Sensoren für Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Luftqualität
Der Funktionsumfang von Canary geht jedoch an anderer Stelle weit über den gewöhnlicher Kameras hinaus. Denn sie besitzt Sensoren für Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Luftqualität. Über die App lassen sich nicht nur die ermittelten Werte verfolgen. Man kann auch bei allen drei Grenzen bestimmen, damit einen die App informiert, wenn sie überschritten werden. So erhält man eine Benachrichtigung, wenn die Luftqualität nicht normal ist – sei es durch zu viel verbrauchte Luft oder durch einen Anstieg des Kohlenmonoxid-Gehalts. Der Temperatursensor kann ebenfalls einen Hinweis auf Feuer liefern, der Luftfeuchtigkeitssensor auf Überschwemmung.
Canary verfolgt also einen eher universalen Sicherheitsansatz. Noch ganzheitlicher wäre er, wenn sich das System komplett in ein übergeordnetes Smart-Home-System integrieren ließe. Damit beispielsweise bei einem Einbruch die Lichter angehen und die Jalousien nach oben fahren, um den Einbrecher zu enttarnen. Oder damit man beim Verlassen des Hauses nur ein Tippen auf den Wandtaster genügt, um das Canary-Sicherheitssystem zu aktivieren und alle Geräte auszuschalten. Eingeschränkt funktioniert das schon heute mit Wink und Amazon Echo, beide Systeme sind jedoch nicht in Deutschland erhältlich. In Zukunft soll sich Canary aber auch hierzulande in Smart-Home-Systeme einbinden lassen.
Bewertung im Detail
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Bildqualität
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Klangqualität
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Einsteiger-Freundlichkeit
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Bedienung
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Ausstattung
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Verarbeitung
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Preis/Leistung
Canary im Test: unsere Einschätzung
Ein solch ganzheitlichen Sicherheitsansatz verfolgen nur wenige Überwachungskameras. Die Einstellmöglichkeiten sind zwar etwas eingeschränkt, dafür gibt es nur wenige Smart-Home-Produkte, die so einfach zu bedienen sind. Damit ist Canary eine absolute Empfehlung für alle Smart-Home-Einsteiger, die eine besonders leichte Möglichkeit suchen, ihr Zuhause zu schützen.
Mehr Infos: Canary // www.canary.is
Alternativen: Wihings Home, Piper NV