„Homematic IP bringt intelligentes Routing in die Hausautomation“, so die jüngste Pressemeldung von eQ-3. Das neue „Advanced Routing“ solle die „Grenzen zwischen Funk und Bus im Smart Home verschwinden“ lassen.
Das Komische an der Mitteilung: Sie kündigt etwas an, was viele schon von ihrem Smart-Home erwartet hätten. Wir haben uns nun mal bereits an eine IP-Welt gewöhnt, in der sich Funk- und Kabel-Geräte flexibel miteinander kombinieren lassen. In unserem Heimnetz gibt es einen Internet-Router, dem es grundsätzlich egal ist, ob wir Geräte per Netzwerk-Kabel oder WLAN verbinden. Er weist ihnen eine IP-Adresse zu, über die sie ansprechbar sind und verbindet sie mit dem Internet. Wir können WLAN-Repeater mit Router verbindet, um die WLAN-Reichweite erhöhen. Genauso können wir Powerline-Adapter und Switchs hinzufügen, um das Heimnetz beliebig zu vergrößern.
Einschränkungen bei Philips Hue und anderen Smart-Home-Systemen
Genau das war im Smart-Home bislang nicht möglich. Zur Erweiterung der Funkreichweite konnte man hauptsächlich nur Geräte mit Repeater-Funktion verwenden, zum Beispiel Schaltsteckdosen. Dabei musste man und muss man darauf achten, dass der Abstand zwischen einzelnen Repeatern nicht zu groß wird. Eine zweite Smart-Home-Zentrale bzw. Smart-Home-Gateway zu verwenden, das ging nicht bzw. nur mit Einschränkungen.
Nehmen wir beispielsweise Philips Hue. Hier lassen sich zwar mehrere Bridges mit der Hue-App verbinden. In der App muss man jedoch zwischen den beiden Bridges wechseln, um die an die Bridge angelernten Geräte zu steuern – was nicht besonders praktisch ist. Der Grund für eine zweite Bridge liegt jedoch nicht nur in der größeren Funkreichweite. So lassen sich auch mehr als die offiziellen 50 Lampen ins Hue-System integrieren.
Mehrere Access Points zu einem System verbinden
Was sich viele Hue-Nutzer wünschen würden: Dass sich entweder mehr Lampen an eine Bridge anlernen oder sich zwei Bridge zu einem einzigen System verbinden lassen. Beides darf man nach Auskunft von George Yianni, Technikechef und Mitbegründer von Philips Hue, in naher Zukunft nicht erwarten, wie er in diesem englischsprachigen Interview verrät:
Das Problem: Zu vielen Lampen machen das Zigbee-Netzwerk der Hue Bridge instabil. Daher die Begrenzung auf 50 Lampen. Der Wechsel zwischen den Hue-Bridges in der App rührt daher, dass eine Lampe immer nur mit einer Bridge gekoppelt sein kein. Will man also eine Lampen im Wohnzimmer, die mit der ersten Bridge gekoppelt ist, ins Schlafzimmer verschieben und mit Bridge 2 verbinden, geht das nicht ohne Weiteres. Man muss die Lampe zunächst von Bridge 1 ablernen und neu an Bridge 2 anlernen.
Advanced Routing löst das Problem
Das alles soll mit „Advanced Routing“ bei Homematic IP kein Problem sein. So sollen sich mehrere Homematic IP Access Points (kurz HAP) zu einem System verbinden lassen, das sich über die Homematic IP-App einheitlich steuern lässt. Dabei sind alle Access Points per LAN mit dem Heimnetz verbunden, während ein Access Point die Verbindung zur Homematic IP-Cloud herstellt.
Die Homematic IP-Komponenten verbinden sich dabei automatisch mit dem nächsten Access Point. Fällt der Access Point aus, versuchen sie eine Verbindung zum nächstgelegenen Access Point herzustellen. Und nicht nur das. War der ausgefallene Access Point für die Verbindung zur Homematic IP-Cloud zuständig, übernimmt ein anderer Access Point diese Ausgabe. Das System konfiguriert sich dabei komplett selbständig, sodass der Nutzer davon nichts mitbekommt.
Zur Verbindung von Funk- und kabelgebundenen Komponenten lassen sich auch der HAP und der Homematic IP Wired Access Point (auch DRAP genannt, für DIN Rail Access Point) zu einem System verbinden. Der Clou: Funk- und Wired-Komponenten können dabei direkt miteinander kommunizieren, wie das schon bei den Funk- und Wired-Komponenten getrennt der Fall war. So lässt sich zum Beispiel über eine Direktverknüpfung zwischen einem Funk-Wandtaster und einem kabelgebunden Dimmaktor definieren: Wenn man auf den Taster drückt, soll das Licht auf 20 Prozent gedimmt werden. Dank der Direktverknüpfung funktioniert das selbst dann noch, wenn das Internet und somit die Homematic IP-Cloud nicht erreichbar ist. Das Video von eQ-3 erklärt das ganz gut:
Funktioniert auch mit CCU3
Das intelligente Routing klappt nicht nur mit HAP und DRAP, sondern soll auch mit dem seit kurzem erhältlich WLAN Access Point und der Smart-Home-Zentrale CCU3 funktionieren. So kann man auch einen zusätzlichen WLAN Access Point (WLAN HAP) verwenden, um die Reichweite zu erhöhen.
Als Alternative zur Homematic IP-Cloud lässt sich die CCU3 als Smart-Home-Zentrale verwenden, welche die Logiken abspeichert. Auch die CCU3 kann sich mit DRAPS, HAPS und WLAN HAPs verbinden, um das System zu erweitern. Mehr dazu könnt Ihr auch im ausführlichen Interview mit eQ-3-Vorstand Brend Grohmann lesen.
Das gesamte Routing basiert auf IPv6. Beim Anlernvorgang wird jedem Gerät eine IP zugewiesen, die sie fortan behält. Im Heimnetz ist das beispielsweise anders. Hier kann sich die IP-Adresse eines Geräts ändern, wenn man dem Gerät über den Internet-Router keine statische IP zuweist. Die mögliche Folge: Geräte finden sich nicht mehr gegenseitig. Wird beispielsweise einer Philips Hue Bridge vom Internet-Router eine neue IP-Adresse zugewiesen, weil sie vom Strom getrennt wurde, kann eine Smart-Home-Zentrale wie die CCU3 sie nicht mehr ansprechen. Schlussendlich lassen sich also die Lampen über das Smart-Home-System nicht mehr steuern.
Ähnlichkeiten zu Apple HomeKit
Ein Smart-Home-System, das auf den ersten Blick Ähnlichkeiten zu Homematic IP aufweist, ist Apple HomeKit. Auch hier können Apple-Geräte wie Apple TV, HomePod, iPad und iPhone die Bluetooth-Reichweite erhöhen. Auch hier kommunizieren Bluetooth-Geräte mit dem nächstgelegen Apple-Gerät. Und auch hier setzen die Apple-Geräte für die Verbindung untereinander auf LAN und WLAN, während eine Gerät die Verbindung zum Internet herstellt.
Während HomeKit grundsätzlich gut funktioniert, hat die Bluetooth-Kommunikation allerdings noch Verbesserungspotential. Die Reaktionszeiten sind zum Teil lang. Das nervt besonders, wenn man ein Licht über einen Taster einschalten will und es einige Sekunden dauert, bis das Licht angeht. Bluetooth-Komponenten können auch nicht als Repeater agieren, wie das bei Homematic IP der Fall ist. Und es sind auch keine wirklichen Direktverknüpfungen zwischen Geräten möglich.
Start in Schritten
Auch eQ-3 ist noch nicht ganz am Ziel angelangt. So erfolgt die Erweiterung um Advanced Routing in Schritten. Die notwendige Updates haben der HAP und der DRAP bereits erhalten. Dadurch ist es jedoch im ersten Schritt nur möglich, 2 HAPs oder 1 HAP + 1 DRAP zu verwenden. Später soll die Integration von bis zu acht Access Points möglich sein. Die CCU3 hat bereits im August ihr Update erhalten. Auch hier lassen sich entweder zwei HAPs oder 1 HAP + 1 DRAP anlernen. Der WLAN Access Point wartet bislang noch auf ein Update für das Advanced Routing.
Mehr Geräte anlernen dank Advanced Routing
Mit dem Advanced Routing soll auch die die maximale Gerätezahl in der Cloud aufgehoben werden, jedoch erst Anfang 2021. Mit dem ersten Homematic IP Access Point sind dadurch wie gehabt maximal 80 Funkkomponenten möglich. Mit jedem weiteren HAP erhöht sich die Zahl aber um 40 Geräte. Bei einem WLAN Access Point alleine sind maximal 40 Geräte möglich. Durch jeden weitern WLAN HAP kommen 20 Geräte dazu.